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Mittwoch, 16. Januar 2013

Ein neuer Anfang

 Manchmal muss man einen neuen Anfang machen und das mache ich jetzt mit diesem Blog.
Beginnen möchte ich mit einer Abhandlung zu kreativem Arbeiten und das gilt für jung und alt:

Was macht die Hand im Kopf? - Handarbeit als Bildungsauftrag
28.07.2003
Von Prof. Dr. Iris Kolhoff-Kahl, Universität Paderborn
Das freie Gestalten mit textilen Techniken ist äußerst wichtig für die motorische und
geistige Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, weil es beidhändig erfolgt, hohe
Ausdauer und Geduld verlangt, strukturbildend wirkt und nicht zuletzt eine tief in
unserer Gesellschaft verankerte Ausdruckssprache ist. Heute sind in vielen
Haushalten textile Techniken, wie Stricken, Häkeln oder Sticken, wenigstens bekannt
und einige, meist weibliche, Familienmitglieder beherrschen sie noch, zumindest
rudimentär. Aber in den Grundschulen ist zu spüren, dass die traditionellen textilen
Techniken verloren gehen. Viele Kinder können nicht mehr knoten, keine Schleifen
binden, nicht flechten oder Bänder drehen, keine Perle annähen oder können mit
sieben Jahren keinen Faden einfädeln, weil ihnen die Feinmotorik fehlt, bzw. weil mit
ihnen nicht textiltechnisch gestaltet wurde. Oft bereitet das beidhändige und
ausdauernde Arbeiten den Kindern grosse Schwierigkeiten.
Welche Wirkungen die Hand im Kopf erzeugt, wurde für das Erlernen von
Musikinstrumenten von Hans-Georg Bastian (2000) bereits wissenschaftlich in einer
gross angelegten empirischen Studie nachgewiesen: Kinder verbessern ihre soziale
Kompetenz, steigern ihre Lern- und Leistungsmotivation, zeigen einen bedeutsamen
IQ-Zugewinn, kompensieren Konzentrationsschwächen und verbessern letztendlich
ihre schulischen Leistungen trotz der Mehrbelastung durch das Erlernen eines
Instruments. Die Forderung nach einem Musikinstrument neben dem Laptop auf dem
Lehrerpult steht-bereits-im Raum. Beim textilen Gestalten bieten sich ebenfalls
Chancen, die Vernetzung von sinnlichem. Erfahren, ästhetischem Denken und
gestaltetem Ausdruck für die Förderung der kindlichen Entwicklung zu nutzen. Es
stehen die begleitenden wissenschaftlichen Pilotprojekte noch aus. Unsere Kinder
scheinen nicht nur einen Laptop, ein Musikinstrument, sondern auch Pinsel, Strickund
Sticknadel zwischen die Hände bekommen zu müssen, um ihre Lernpotenziale
vernetzter ausschöpfen zu können.
Sticken fördert Feinmotorik.
Sticken ist ordnungsgebend und musterbildend, beruht auf Wiederholung und
benötigt viel Ausdauer und Geduld. Wer sich auf diesen Prozess schon einmal
eingelassen hat, weiss, wie entspannend sich das Sticken auf Körper und Geist
auswirken kann, wenn die ersten Übungsstufen überwunden sind und die Hände
routiniert mit der Nadel über den Stoff oder Untergrund gleiten. Diese fast schon
therapeutisch anmutende Wirkung empfinden Kinder und Jugendliche in solchen
Entwicklungsstufen besonders intensiv, in denen sie die Wiederholung lieben. Für
Grundschulkinder fördert dies die Feinmotorik, sowie auch eine extreme
Beanspruchung des Gehirns. Ähnlich wie beim Spielen eines Musikinstruments muss
das Gehirn auch beim Sticken zur gleichen Zeit viele verschiedene Aufgaben lösen:
das Gestalten, was Hand, Gefühl und Kopf verbindet, das gleichzeitige Arbeiten mit
beiden Händen, die jedoch unterschiedliche Arbeiten ausführen.
Stricken entspannt und lässt Gedanken freien Lauf.
Die ewig gleiche Bewegung der Finger hat meditative Wirkung und aus einem Faden
etwas zu schaffen, das einen umhüllt und wärmt ist ein hoch befriedigender Aspekt.
Die neueste Masche aus London ist der Club "Cast off", was Abketten bedeutet.
Junge freie Künstler und Textildesignern gründeten einen Strickclub. Die Nadeln
klappern in Nachtclubs, am Strand, auf Themsebooten, in Kunstgalerien, auf
Sportveranstaltungen. In Büchern und Fachzeitschriften wird Stricken als Meditation
und Yoga für die Hände bezeichnet. Auch in Deutschland finden wieder mehr
Mädchen und Jungen Gefallen an den Maschen auf der Nadel.
Kreative Erfahrungen textiler Techniken führen zu immer neuen Ausdrucksformen
und nicht zuletzt auch wegen der neurodidaktischen Bezüge, dass nämlich, so
konstatieren immer mehr Didaktiker, alle Tätigkeiten, die eine gewisse Übung der
Beidhändigkeit als Voraussetzung haben (Sport, musikalisches Tun, textiles
Gestalten etc.) im Gehirn zu einer hohen Vernetzung führen, die sich positiv auf die
menschliche Entwicklung auswirkt. Notwendig dazu sind nach Manfred Spitzer
(2000) Häufigkeit, Relevanz und Ähnlichkeit des Inputs, die gerade bei textilen
Techniken - Stricken, Häkeln, Sticken, Nähen oder Weben- besonders zum Tragen
kommen. Bildungsexperten wie auch Eltern sind gefordert, den Kindern alle
Möglichkeiten zu bieten, ihre Lernpotenziale zu nutzen - textiles Gestalten ist dabei
eine bisher unterschätzter wichtiger Beitrag, der nicht wie es zur Zeit in einige
Bundesländern geschieht aus den Lehrplänen gestrichen werden darf. Zu Vernetzen,
zu Verknoten, sich in Verstrickungen zu Bewegen, sich Einfädeln zu können sind
sinnbildlich gesprochen hoch komplexe Fähigkeiten, nicht nur textiltechnische.


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